Erschrocken schrie Emily auf, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung
am Ufer wahrnahm. Furcht umklammerte mit eisiger Faust ihr Herz, während sie
sich strampelnd bemühte, unter die Wasseroberfläche zu sinken und gleichzeitig
die Arme vor der Brust zu verschränken. Ihr Atem stockte, und sie bebte vor
Zorn als sie erkannte, wer sie beobachtet hatte. "Wie können sie es wagen!" schimpfte sie, mit vor Kälte klappernden
Zähnen. Sie bemühte sich, noch tiefer zu sinken, aber war sich nicht sicher, ob
das flache klare Wasser überhaupt einen Schutz vor seinen Blicken versprach.
Wie lange stand er dort schon? Hatte er sie beobachtet? Wieviel hatte er
gesehen? Flammende Röte überzog ihre Wangen trotz der eisigen Kälte des Flüßchens.
McKinlays Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, bei dem Emily am liebsten vor
Wut geschrieen hätte. Es war eine unglaubliche Dreistigkeit, ihr
nachzuschleichen. Wie hatte sie ihm nur soviel Anstand zutrauen können, sie
nicht beim Baden zu beobachten? Zu allem Überfluß, stellte Emily fest, begann
die Kälte allmählich in ihre Glieder zu kriechen. Sie zitterte, mehr vor Kälte
als vor Wut, und sie konnte spüren, wie ihre Lippen taub wurden. Wie lange
hatte McKinlay vor, dort stehen zu bleiben? Glaubte er allen Ernstes, sie würde
nackt wie eine Nymphe den Fluten entsteigen, damit er sie ungehindert begaffen
konnte? Sie hätte ihm gerne ihr ganzes, leider nicht allzu umfangreiches
Repertoire an Schimpfwörtern an den Kopf geworfen, aber ihre Zähne schlugen
inzwischen so heftig aufeinander, daß sie sowieso kein vernünftiges Wort hätte
artikulieren können. McKinlays Blick glitt über das gegenüberliegende Ufer, und
Emily biß die Zähne zusammen, bis sie knirschten. Tat er etwa so, als würde er
sie beschützten, anstatt sie anzuglotzen? Hah! Als würde sie das glauben! "Ich habe ihnen ein Stück Seife mitgebracht!" rief McKinlay
ihr zu, und Emily konnte den schmalen Klumpen gerade noch auffangen, ehe er
neben ihr ins Wasser klatschte. "Außerdem eine Decke, falls sie ihre schmutzigen Kleider nach dem
Bad nicht wieder anziehen wollen." Noch einmal sah er sich um.
"Bleiben sie nicht zu lange. Das Wasser ist ziemlich kalt. Sie könnten
sich erkälten." Emily mußte an sich halten, um nicht hysterisch aufzulachen. Erkälten?
Ohne sein Erscheinen wäre sie schon längst wieder raus aus dem Wasser, das
inzwischen fast ihren ganzen Körper betäubt hatte. Am liebsten hätte sie ihm
seine Seife an den Kopf geworfen, aber das Verlangen nach Sauberkeit gewann die
Oberhand. Ohne den Felsen, auf dem McKinlay gestanden hatte, aus dem Augen zu
lassen, schrubbte Emily sich hastig ab und wusch ihr Haar, wobei sie den Schaum
so fest in ihre Kopfhaut massierte, bis es schmerzte. Wenn sie daran dachte,
wie ihr Kopf gejuckt hatte, konnte sie nur hoffen, daß sie sich keine
blutsaugenden Plagegeister eingefangen hatte, unter denen viele der
Treckteilnehmer gelitten hatten. Sie warf einen letzten Blick zum Felsen, ehe
sie ans Ufer watete, beruhigt, daß sie anscheinend allein war. Die
Unverschämtheit dieses Mannes kannte keine Grenzen. Erst seine Unterstellung,
ihr sei Gewalt angetan worden, und dann wagte er es auch noch, ihr beim Baden
nachzuspionieren. Wütend rubbelte Emily sich trocken. Sie sollte dankbar sein für die Decke,
die McKinlay ihr gebracht hatte, aber sie war viel zu aufgebracht, um im
Augenblick so etwas wie Dankbarkeit für ihn zu empfinden. Sobald sie wieder im
Lager war, würde sie ihn zur Rede stellen und ihm gehörig die Meinung sagen! In der Ferne hörte Emily Donnergrollen. Als hätte der Himmel nur darauf
gewartet, daß sie den Kopf hob, erhellte Wetterleuchten das Firmament, und
schwarze Regenwolken türmten sich bedrohlich gegen den dunklen Himmel. Na wunderbar, dachte Emily. Allem Anschein nach würde es in der Nacht
regnen. Seufzend machte sie sich daran, ihre Kleider zu waschen. Zwar konnten
sie bis zum Morgen unmöglich trocknen, aber vielleicht konnte sie eines von
Mister McKinlays Hemden tragen. Soviel zumindest schuldete er ihr, nachdem, was
er sich da geleistet hatte. Die Decke fest um sich geschlungen und die nasse Wäsche in der Hand
stampfte Emily zurück zum Lager, während sie sich in Gedanken auf die Rede
vorbereitete, die sie beabsichtigte Mister McKinlay in Bezug auf Ehre und
Anstand zu halten. Retter oder nicht, er hatte kein Recht gehabt, sie beim
Baden zu beobachten. Der Schein des munter flackernden Feuers empfing sie und –
Emily blieb wie angewurzelt stehen. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sie nur ein Nachtlager
unter dem schmalen felsigen Überhang erblickte. Glaubte McKinlay etwa allen
Ernstes, sie würde ein Lager mit ihm teilen? Dachte er wirklich, nur weil sie
die Gefangene eines Indianers gewesen war, könnte er sich jetzt Frechheiten
herausnehmen? Hatte er deshalb gefragt, ob sie vergewaltigt worden war, und
hätte es einen Unterschied gemacht, wenn sie "ja" gesagt hätte? Vermutlich
nicht. Da er ja offensichtlich der Überzeugung war, jeder würde sowieso das
Schlimmste von ihr denken, schien er tatsächlich zu glauben, es machte keine Unterschied
mehr, ob sie einem Mann mehr oder weniger zu Willen gewesen war, ehe er sie
wieder bei Charles ablieferte. Eisige Kälte erfüllte ihr Innerstes, als Emily bewußt wurde, was Rafe
McKinlay ganz augenscheinlich mit ihr vorhatte. Seine Versicherungen, er würde
ihr nichts tun – nichts als leere Worte. Hatte er von Anfang an beabsichtigt,
sich an ihr zu vergehen? Wahrscheinlich. Ihre Knie zitterten bei dem Gedanken, und Emily preßte die Decke fester
an ihren Körper. Wie aufmerksam vor ihm, dachte Emily zynisch, daß er ihr überhaupt
noch die Decke gebracht hatte, anstatt ihre Kleider an sich zu nehmen und sie
somit zu zwingen, nackt ins Lager zurückzukommen. Hatte er sie so in Sicherheit
wiegen wollen? Wozu, dachte Emily bitter. Ich bin ihm doch so oder so ausgeliefert. Wohin
soll ich denn fliehen? Hatte sie denn eine Wahl? Zwar konnte sie am Rande der Lichtung stehen
bleiben oder sich irgendwo verstecken, aber das würde im Endeffekt nichts
ändern. McKinlay würde sie finden und notfalls mit Gewalt in Lager schleifen.
Und falls er sie wider Erwarten nicht finden würde – dann würde er sie eben
zurücklassen, und sie würde sterben. Aber sie wollte nicht sterben, nicht nach
allem, was sie schon erduldet hatte. War ihr Körper im Tausch gegen ihr Leben
da nicht ein geringer Preis? Aber zu was machte es sie? Emily schreckte vor dem
Wort zurück, das ihr bei der Vorstellung immer wieder durch den Kopf zuckte. Hure. Auch wenn ihr Kinn gefährlich zitterte, reckte Emily es entschlossen in
die Höhe und näherte sich mit bebenden Gliedern dem Feuer. Sie würde sich nicht
vor McKinlay erniedrigen. Sie würde ihn nicht anflehen, sie zu verschonen. Sie
würde nicht... Erschrocken sog Emily den Atem ein, als der Unhold, dem ihre Gedanken
gegolten hatten, aus der Dunkelheit auftauchte. Sie bemerkt nicht einmal, daß
ihre nassen Kleider die Vorderseite der Decke durchnäßten, wo sie sie
krampfhaft gegen ihre Brust gepreßt hielt. Rafe hatte ein letztes Mal nach den Pferden gesehen und sich vergewissert,
daß sie zwar grasen, nicht aber davonlaufen konnten, wenn sich das
zusammenbrauende Gewitter in Laufe der Nacht verschlimmern sollte. Allmählich
wurde es auch Zeit, daß Miß Bradshaw ihr Bad beendete, falls sie nicht
vorhatte, im Fluß festzufrieren. Der Wind hatte in den letzten Minuten
aufgefrischt, und das Donnergrollen war lauter geworden. Nicht mehr lange und
das Unwetter würde losbrechen. Er würde es sehr begrüßen, wenn er und Miß
Bradshaw dann warm und trocken unter der Plane lagen, die er über sie breiten
würde. Rafe sah auf, als er einen leisen, beinahe erstickten Laut vernahm. Miß
Bradshaw stand neben dem Feuer und starrte ihn an, als hätte sie einen Geist
gesehen. Unbewußt glitt sein Blick über sie, das struppige Haar, die leichenblassen
Wangen und die bloßen Füße, die unten aus der Decke, die er ihr gebracht hatte,
herauslugten. Er runzelte unwillig die Stirn, als er bemerkte, daß die Decke
bereits fast ebenso naß war wie ihre Kleidung. "Meinen Sie nicht, es wäre besser, die nassen Sachen zum Trocknen
aufzuhängen, anstatt sie mit ins Bett zu nehmen?" fragte er spöttisch. Er
fragte sich, was wohl in ihrem Kopf vorging, daß sie nicht selbst daran gedacht
hatte. Ganz entgegen dem, was er zunächst von ihr erwartet hatte, machte sie
eigentlich nicht den Eindruck, als wäre sie einfältig. Er wandte sich ab, um
etwas aus seiner Satteltasche zu nehmen, als ihm ein tropfnasser Unterrock klatschend
um die Ohren schlug und ihm die Sicht versperrte. "Was zum Teufel
...?" brüllte Rafe und versuchte, die nasse,
klebrige Baumwolle, die ein Eigenleben zu entwickeln schien, von seinem Gesicht
zu reißen. Wasser rann in seinen Kragen, während ihr Unterrock wie eine durchweichte
Chinchilla-Stola auf seinen Schultern thronte. "Sind Sie
...?" übergeschnappt wollte er wütend fragen, als die grobgesponnene, triefende
Wolle eines Damenkleides seine Worte erstickte. Blindlings warf Rafe sich
vorwärts, ehe Miß Bradshaw weitere Teile ihrer tropfnassen Garderobe nach ihn
werfen konnte. Seine zupackenden Arme umklammerten einen weichen, schlanken
Körper und rissen ihn mit sich zu Boden. Noch im Fallen drehte Rafael sich, so
daß er die Wucht des Aufpralls bremste und Miß Bradshaw auf ihm zu liegen kam,
dennoch hörte er ihren erschrockenen Aufschrei, der in ein schmerzerfülltes
Stöhnen überging. Er verwünschte den Umstand, daß er noch immer nichts sehen
konnte. Mit einer Hand versuchte er, den widerspenstigen Wollstoff von seinem
Kopf zu zerren, während er mit der anderen darum bemüht war, eine wild um sich
schlagende und ihn mit Schimpfworten überhäufende Miß Bradshaw in Zaum zu halten.
Verdammt! Was war nur plötzlich in sie gefahren? Hatte sie den Verstand
verloren? Mit einem letzten Ruck gelang es ihm endlich, das Kleid beiseite zu
schleudern. Rafe stöhnte auf, als ihr plötzlich hochgerissenes Knie ihn hart am
Oberschenkel traf, nur wenige Zentimeter von seinen edelsten Teilen entfernt.
Einen Augenblick lang glaubte er Sterne zu sehen, und er hatte einen
metallischen Geschmack im Mund. Wütend rollte er sich über die strampelnde Frau
und preßte sie mit beiden Händen auf den Boden. Rafael McKinlay und Emily Bradshaw erstarrten beide im selben Moment.
Ihre Blicke prallten aufeinander, als seine behandschuhte Rechte sich um einen
der weißen Hügel schloß, den die Decke während des Kampfes entblößt hatte. Emilys Atem kam in kurzen abgehackten Zügen. Jedes Heben und Senken
ihren Brustkorbes preßte ihre Brust in seine Hand und sandte einen heißkalten
Schauer durch ihren Körper. Oh Gott, dachte sie verzweifelt, und wollte die
Augen schließen, aber sie brachte es nicht fertig, ihren Blick von dem
wutverzerrten Gesicht mit den darin wie Bernstein glühenden Augen abzuwenden.
Sie fühlte seinen heißen, keuchenden Atem auf ihrer Wange und erwartete jedem
Moment, seine harten, fordernden Lippen auf ihrem Mund zu verspüren. Die Decke
war während ihres Gerangels zur Seite geglitten, und sie spürte seinen Körper,
der sich der Länge nach auf den ihren preßte. Er war schwer, und Emily riß
entsetzt die Augen auf, als Rafe McKinlay seine Hüften bewegte und sie den
Druck seiner anschwellenden Männlichkeit am Scheitelpunkt ihrer Schenkel
verspürte. Das zunächst kühle Leder seines Handschuhs erwärmte sich, und seine
Finger schlossen sich einen Augenblick lang fester um ihre Brust, beinahe
zärtlich, ehe der Druck urplötzlich verschwand, als er sich zur Seite rollte
und sie freigab. Schweratmend starrte er sie an. "Darf ich erfahren, was das eben
zu bedeuten hatte?" stieß er hervor, während er seinen schmerzenden Oberschenkel
massierte, wo ihr Knie ihn getroffen hatte. Sein Bein war nicht die einzige
Stelle seines Körpers, die schmerzte, aber zumindest war es die einzige, wogegen
er im Moment etwas tun konnte, ohne sie beide in Verlegenheit zu stürzen.
Wütend funkelte er Miß Bradshaw an, die, die Decke vor ihren wogenden Busen gepreßt,
wie ein Häufchen Elend vor ihm saß. Nur mit Mühe konnte Rafe seinen Blick von dem weißen Schenkel losreißen,
den die Decke nicht ganz verhüllte. Beinahe noch schwerer war es, die
Erinnerung an ihren Anblick aus seinem Gedächtnis zu verbannen, wie sie auf dem
Rücken treibend im Wasser gelegen hatte. Heiß war ihm das Blut in die Lenden
geschossen, als er sie erblickt hatte, und auch als sie sich unter Wasser
zusammengekauert hatte, hatten die klaren Fluten nicht allzu viel von ihren
Reizen vor seinen Blicken verbergen können. Deutlich hatte er ihre vollen
Brüste sehen können und sich vorgestellt, es wären seine Hände, die sie
bedeckten und nicht die ihren, als sie versuchte, sie vor seinen Augen zu
verstecken. Dazu das dunkle Dreieck am Scheitelpunkt ihrer weißen, schlanken
Schenkel und der Rest ihres wundervollen biegsamen Körpers. Die zarten Schultern,
die auch jetzt rosig im Schein des Feuers glänzten...
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